Donnerstag, 26. Mai 2011

Toll, Toller, Tolleranz oder: Ich will nicht, dass man mich toleriert

Gastbeitrag von Henry MacDougal 

Toleranz? Nein, danke! 

Toleranz wird uns als was Gutes verkauft, als etwas, das die Moral und die Menschlichkeit einfach gebietet und nicht hinterfragt werden muss. Wer tolerant ist, ist gut, wer intolerant ist, ist schlecht. Dabei wird selten gefragt, was da eigentlich toleriert werden soll. Toleranz soll also etwas Positives, ein Wert an sich sein. Aber ist da so? Toll, toller, Tolleranz? Tolerieren kommt vom lateinischen ‚tolerare‘ und bedeutet in etwa ‚erdulden‘.


Schauen wir mal kurz, was Wikipedia als Einführung dazu sagt:

„Toleranz, auch Duldsamkeit ist allgemein ein Geltenlassen und Gewährenlassen fremder Überzeugungen, Handlungsweisen und Sitten. Gemeint ist damit heute häufig auch die Anerkennung einer Gleichberechtigung unterschiedlicher Individuen.“

Das hört sich doch gut an oder? Nun, wir haben das unwahrscheinliche Glück, in einem Rechtsstaat zu leben, der seinen Bürgern einerseits Rechte (z.B. Gleichberechtigung) garantiert, ihnen aber andererseits auch Pflichten auferlegt. Das heißt, ich habe als Bürger Rechtsansprüche, ich bin auf „Duldsamkeit“ nicht angewiesen. Ich möchte auch nicht darauf angewiesen sein. Toleranz ist strenggenommen nur da erforderlich und menschlich geboten, wo ein Individuum keinen oder nur einen eingeschränkten Rechtsanspruch hat. Damit ist man aber gleichzeitig auf das Gutdünken derer, die Toleranz gewähren (oder nicht) angewiesen also abhängig. Abhängigkeit von der Willkür anderer begreife ich aber nicht als positiv. Toleranz ist ein Behelf, ein schlechter Behelf, im menschlichen Miteinander.

Woraus ergibt sich denn der Wert der Toleranz? Toleranz ist eben keineswegs ein Wert an sich, sondern der Wert der Toleranz ergibt sich aus dem, was toleriert wird. Wenn ich toleriere, dass Menschen diskriminiert oder schikaniert werden, wird man diese Toleranz kaum als etwas Positives bezeichnen.


„Wer Intoleranz toleriert, befördert nicht Toleranz, sondern Intoleranz.“

Toleranz als „gewähren lassen“ hat auch eine passive, bequeme Komponente. Toleranz, die aus Unwissenheit oder Bequemlichkeit geübt wird, ist eigentlich sogar Ignoranz. Toleranz ist auch deswegen bequem, weil man sie selten begründen muss – man gehört ja zu den Guten. Ist man aber, selbst aus gutem Grund, intolerant, ist man ziemlich schnell in der Defensive und in Erklärungszwang. Mit der Forderung nach Toleranz wir also auch der Hang zur Bequemlichkeit und die Unlust oder das Unvermögen vieler Menschen, ihre Position argumentativ darzulegen ausgenutzt.

Warum gibt es dann Menschen, Gruppen oder gar Institutionen die so scharf darauf, dass man ihnen Toleranz, Duldsamkeit entgegenbringt?


 Toleranz sollte nur eine vorübergehende Gesinnung sein: sie muss zur Anerkennung führen. Dulden heißt beleidigen. J. W. von Goethe

Ich glaube, dass man sich mit diesen Forderungen nach Toleranz Privilegien und der eigenen Rechtsauffassung, die häufig außerhalb unserer Rechtsauffassung liegt, Geltung verschaffen will. Also etwas zu beanspruchen, was unser Rechtsstaat eigentlich nicht hergibt, ohne aber andererseits irgendeine Verpflichtung einzugehen.

Und während im Kleinen, im unmittelbar Zwischenmenschlichen, Toleranz immer von Fall zu Fall gewährt wird oder eben auch mal nicht, versucht man im Großen, in der Politik, im gesellschaftlichen Miteinander, die Toleranz, einmal gewährt, möglichst auf „ewig“ als eine Art Gewohnheitsrecht festzuschreiben. Wer glaubt, in unserem Rechtsstaat von Gesetzes wegen benachteiligt zu sein, dem stehen alle rechtsstaatlichen Mittel zur Verfügung, das darzulegen und gegebenenfalls zu ändern. Offensichtlich ist denen, die so oft und laut nach Toleranz rufen, klar, dass sie auf diesem mühsamen Weg ihre Ziele entweder gar nicht oder nicht so schnell erreichen, wie mit ihren Appellen an unsere Duldsamkeit. Und darum geht es letztlich, sich über die vom Rechtsstaat gewährten Rechte hinaus Privilegien und gruppenspezifische Sonderrechte zu verschaffen, nicht selten sogar zu Lasten der Rechte Dritter.


Ein Beispiel: Ist man bei der Errichtung eines Gebäudes auf Toleranz angewiesen?

Nein. Man muss sich an das Baurecht halten, aber auch das Einspruchsrecht der betroffenen Bürger greift. Und Letzteres wird, z.B. beim Bau von Moscheen, mit dem Ruf nach Toleranz und indem man den Menschen ein schlechtes Gewissen einredet, versucht auszuhebeln. Wer von seinen staatlich verbrieften Rechten Gebrauch macht, wird als intolerant denunziert.

 „Weniger bekannt ist das Paradox der Toleranz: Uneingeschränkte Toleranz führt mit Notwendigkeit zum Verschwinden der Toleranz. Denn wenn wir die unbeschränkte Toleranz sogar auf die Intoleranten ausdehnen, wenn wir nicht bereit sind, eine tolerante Gesellschaftsordnung gegen die Angriffe der Intoleranz zu verteidigen, dann werden die Toleranten vernichtet werden und die Toleranz mit ihnen.“ (Karl Popper)

Man sollte sich also sehr genau anschauen, wer Toleranz fordert, warum und was toleriert werden soll. Toleranz ist keine Einbahnstraße, Toleranz darf nicht zur Aushöhlung, zur Erosion unseres Rechtsstaates führen, indem Partikularinteressen über Gebühr berücksichtigt und einseitig gewährt werden. Wenn wir nicht bereit sind, unsere Werte und unsere Rechtsnormen gegen überzogene Toleranzforderungen zu verteidigen, werden wir sie verlieren.


Und für alle Menschen, die nichts weiter tun, als ihre Rechte wahrzunehmen:

„Alle große politische Aktion besteht im Aussprechen dessen, was ist, und beginnt damit. Alle politische Kleingeisterei besteht in dem Verschweigen und Bemänteln dessen, was ist.“ Ferdinand Lassalle

 Wer versucht, anderen den Mund zu verbieten, führt meist selbst nichts Gutes im Schilde.

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Autor: Henry MacDougal
Freitag, 1. April 2011 um 10:09
(mit freundlicher Genehmigung)

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